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  • Über den Gebrauch von Bildern in der Mittelalterlichen Geschichte

    Jérôme BASCHET, 20. Juli 2016

    Jérôme BASCHET

    (Maître de conférences à l’École des Hautes Études en Sciences Sociales/ enseignant à l’Universidad Autónoma de Chiapas, à San Cristóbal de Las Casas)


    Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben Bilder in den Augen der Historiker den Status von vollwertigen Forschungsobjekten erreicht. Von daher müssen die beiden Disziplinen Geschichte und Kunstgeschichte ihre Forschungsansätze zusammenbringen, die übereinstimmend, ergänzend oder durch ihre Ausrichtung und Fragestellung teilweise auch verschieden sein können. Ein Hinweis auf diese Unterschiede lässt sich in der Präferenz der Historiker (aber auch herausragender Kunsthistoriker wie Hans Belting) für den Terminus „Bild“ finden, eher als für die Kategorie „Kunst“, die als ungeeignet erachtet wird. Es geht darum, sich von den Gewohnheiten einer Disziplin zu verabschieden, die von den ästhetischen Prämissen des 18. und 19. Jahrhunderts geprägt ist, insbesondere durch Werturteile über das Schöne und durch ein bevorzugtes Interesse an Meisterwerken, auf Kosten allgemeinerer bildlicher Produktion, der der Historiker ebenso viel Interesse entgegenbringt. Obwohl er mit Recht annehmen kann, dass die Bilder nicht einem gesellschaftlichen Kontext gehören, den man als Kunst bezeichnen könnte, so muß der Historiker die ästhetische Dimension der Werke, die ihnen auch im Mittelalter selbst als maßgeblichen Aspekt ihrer Wirksamkeit zuteilwird, erkennen. Er muss auch aufpassen, dass er die Bilder nicht vorschnell nutzt: Wenn er von ihnen sofortige Antworten haben möchte, ohne den Aufwand zu betreiben, sich mit dem Status der einzelnen Objekte und mit manchmal erstaunenden figurativen Konstellationen vertraut machen zu wollen, so läuft er Gefahr, herbe Enttäuschungen zu erleiden.
    Unter diesen Vorsichtsmaßnahmen kann man feststellen, dass Bilder vollständig (jedoch in ihrer eigenen Art und Weise) historisch sind. Und das aus zwei Gründen, die eng miteinander verknüpft sind. Erstens geben sie sozialen Repräsentationen in ihrer Form als bildliche Darstellungen Gestalt. Hierbei ist es wichtig, den Allgemeinplatz zu verwerfen, der aus den mittelalterlichen Bildern eine Bibel für Ungebildete machen möchte. Dieser Gedanke stützt sich unberechtigterweise auf Papst Gregor den Großen, der in einem Brief an den Bischof Serenus um 600 herum erklärte, dass Bilder nicht zerstört werden sollten, denn sie könnten für das Unterrichten derjenigen nützlich sein, die nicht lesen können. Aber die Bilder lassen sich auf keinen Fall auf diese Funktion reduzieren, weder bei ihm, noch umso weniger bei den Geistlichen des 11. bis 13. Jahrhunderts, die die emotionale Dimension der Bilder und ihre Rolle beim Andenken sowie ihre Fähigkeit, einen Zugang zum Spirituellen und Göttlichen zu ermöglichen, betont haben. Vor allem reduziert der Topos einer Bibel der Ungebildeten die Bilder auf einen Status als bloße Nachahmungen der Heiligen Schrift und der Kirchenlehre. Daraus folgt (in Folge des sonst grundlegenden Werks von Émile Mâle) die Vorstellung einer religiösen Kunst, die strikt stereotypisiert, kodifiziert ist, die unablässig die gleichen Formeln reproduziert und dazu verdammt ist, die Kirchenlehren der Geistlichen niederzuschreiben. Nun muss man hervorheben, dass, obwohl der Klerus der Hauptauftraggeber mittelalterlicher Kunstwerke ist, die Kirche selbst (bis zum Konzil von Trient) fast keine normative Kontrolle über die figurative Produktion ausgeübt hat. Die Bildmacher besaßen eine bemerkenswerte Freiheit, oft von den Geistlichen selbst zugesprochen, auch wenn es selbstverständlich ist, dass diese Freiheit nicht den Rahmen der mittelalterlichen christlichen Denkweise überschritten hat. Wenn man sich von der Vorstellung von einer stereotypisierten und kodifizierten Kunst verabschiedet, entfaltet sich ein wahrer Ideenreichtum auf den Bildern. Die Innovationen hören nicht auf, sich zu vervielfältigen und jedes ikonographische Thema oder Motiv wird bemerkenswert häufig variiert, was noch dadurch verstärkt wird, dass die Bilderfolgen und Anordnungen auf unterschiedlichste Weise kombiniert werden können. Um diese Innovationskraft deutlich zu machen, erweist sich ein ikonographischer Ansatz, der gleichzeitig aufmerksam und seriell vorgeht, als unerlässlich: Auf der Zusammenstellung eines möglichst erschöpfenden Korpus’ beruhend (was die Datenbanken, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, viel leichter machen), muss die Analyse sowohl die Konstanten, die Aneignungen, Referenzen und Ausdrücke einer traditionellen Wertvorstellung, wie sie in vielen Werken gezeigt wird, als auch die Vielzahl der Arten von Figuren und ihren Varianten, von den mittelmäßigen bis zu den herausragenden, ohne die Grenzen der Darstellbarkeit zu vergessen, die sich manchmal nah am Rand der Ketzerei bewegten, in Betracht ziehen. Sich den ikonographischen Gegenstand zu verdeutlichen, bedeutet innerhalb der historischen Dynamiken, eine große Bandbreite an Variationen zu analysieren, in denen das Einzelne und das Regelmäßige zusammenspielen: die Radikalität der glorreichen Meisterleistungen und die lebendige Dynamik der bescheidenen Variationen.
    Zweitens, wenn Bilder historisch sind, dann, weil sie selbst in soziale Praktiken verwickelt sind. Tatsächlich kann sich die ikonographische Herangehensweise nicht auf das Dechiffrieren der Darstellungen beschränken: Sie muss die Bilderobjekte (oder die Bilderorte) analysieren, die bestimmte gesellschaftliche Situationen darstellen (eingeschlossen derer, die sich auf die Beziehung des Menschen mit den übernatürlichen Kräften beziehen). Im Mittelalter gibt es keine Bilder, die nicht an ein Objekt (oder an einen Ort) geknüpft sind, der Dekor und Szenerie ausmacht, und der selbst auch eine Funktion hat, ob es sich um Sakralorte und Kultstätte, liturgische Gegenstände, Handschriften, häusliche Dekorgegenstände, Siegel, Pilgerzeichen oder um anderes handelt. So sind doch die Praktiken (seien sie liturgisch, andächtig, apotropäisch, gerichtlich, etc.), in denen das Objekt eine Rolle spielt (oder wenigstens die Szenerie mit seiner spürbaren Anwesenheit begleitet), imstande, den Bildern ihre volle Bedeutung zu geben. Hier muss angemerkt werden, dass die Entwicklung der Bilder, die im Laufe der Jahrhunderte im Mittelalter immer mehr ansteigt, mit einer Verfestigung der kirchlichen Institution einhergeht und ihrer „Versteinerung“ in Form der immer imposanter werdenden Sakralbauten, die eine erneute manifeste Rechtfertigung für den Klerus in der gregorianischen Zeit darstellen (Dominique Iogna-Prat). Insbesondere unter Berücksichtigung des neuen Status der Kirchen kann man die Ausbreitung der Bilder verstehen, die sich nach und nach neue Flächen und Räume bedienen (Bildzyklen, Sakralstatuen, Portal- und Fassadenskulpturen, Kapitelle, Fenster, etc.). All diese Arten des Dekors sind Ausdruck der übermächtigen Stellung der Kirchengebäude, die sie durch die Kraft der Formeffekte und Farben sowie durch den Überfluss der kaum zu entschlüsselnden Bedeutungen, empfänglich und lebhaft machen. Die Ausbreitungsfähigkeit der Bilder (und das Innovationspotential, das mit ihr verknüpft ist) hängt demnach mit dem Status dieser Bauwerke im gesellschaftlichen Gefüge zusammen und mehr noch mit dem Machtausbau der kirchlichen Institution.
    Alles in allem bilden die Bildobjekte keinen abgegrenzten Raum, dessen Studium einigen wenigen vorbehalten wäre und der die Zerstückelung unserer Studien in voneinander abgetrennte Unterbereiche vorantreiben würde. Es geht eher darum, einerseits die spezifische Besonderheit der bildlichen Sprache zu unterstreichen (aus der die notwendige Bemühung kommt, die plastischen Modalitäten der Sinnproduktion auf Bildern zu erfassen) und die Bilder in eine umfassende soziale Realität einzubinden. Hier könnte ein geschichtswissenschaftlicher Ansatz über die Bilder zur Lösung allgemeinster Fragestellungen über mittelalterliche Gesellschaftsstrukturen und ihre Veränderung beitragen.


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  • Bibliographie

    Jérôme BASCHET, 20. Juli 2016

    Über den Gebrauch von Bildern

    - La performance des images, Gil Bartholeyns et Thomas Golsenne hrsg., Bruxelles, Editions de l’Université de Bruxelles, 2010.
    - BASCHET Jérôme, L’iconographie médiévale, Paris, Gallimard, 2008 (Folio Histoire, inédit).
    - Arti e storia nel Medioevo, Enrico Castelnuovo, et Giuseppe Sergi hrsg., Turin, Einaudi, 4 volumes, 2002-2004.
    - SCHAPIRO Meyer, Les mots et les images, Paris, Macula, 2000.
    - SCHMITT Jean-Claude, Le corps des images. Essais sur la culture visuelle au Moyen Âge, Paris, Gallimard, 2002.
    - WIRTH Jean, L’image à l’époque romane, Paris, Cerf, 1999 ; id., L’image à l’époque gothique, 2008; id., L’image à la fin du Moyen Âge, 2011.


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