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  • Über den Gebrauch von Begräbnisritualen in der Mittelalterlichen Geschichte

    Murielle GAUDE-FERRAGU, 20. September 2016
    Mort |

    Murielle GAUDE-FERRAGU

    (Maître de conférences à l’Université Paris-13, Sorbonne Paris Cité, membre junior de l’IUF, PLEIADE-LAMOP)


    Das „Begräbnisritual“ ist ein Zusammenspiel von Gesten und Worten, die das Sterben und dann den Tod eines Menschen begleiten. Der Begriff stammt nicht aus dem Mittelalter: Die alten Quellen deuten eher auf zwei Termini hin „Beisetzung und Bestattung“ (frz. obsèques et funérailles) – oder „Beisetzung und Begräbnis“ (frz. obsèques et enterrement), die auf zwei verschiedene Realitäten verweisen, die Begräbnisfeier für den Begriff der Bestattung (in An- oder Abwesenheit des Körpers) und die Zeremonien, die das Beerdigen der Leiche in der Totenstadt oder auf dem Friedhof begleiten, für die beiden anderen.
    Das Konzept ist überall in den Gesellschaftswissenschaften, der Philosophie, der Psychologie, Soziologie, der Ethnologie und vor allem in der Sozialanthropologie (wie in den alten, aber immer noch fundamentalen Schriften von Marcel Mauss oder Arnold Van Gennep) von Relevanz, da der Tod in seiner Zwangsläufigkeit je nach Zeitalter, Religion oder Gesellschaft ganz unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen hat; aber auch bestimmen die Worte, die Gesten und die Praktiken, die ihn begleiten, alle Gesellschaften, da sie auf ganz universelle, unveränderliche Größen verweisen. Die anthropologischen Studien haben somit den Historikern ermöglicht, ihre Auffassung von bestimmten Sequenzen des Rituals bemerkenswert zu erneuern (Jacques Chiffoleau, Michel Lauwers) wie z. B. den Umgang mit der Leiche und die Rolle der Frauen in der Trauerbegleitung. Vor allem für die Religionsgeschichte relevant, werden die Begräbnisriten auch als Instrument für eine Gesellschafts- (als Identitätsfaktor) und Politikanalyse („Die zwei Körper des Königs“) benutzt, Thematiken, die wir Schritt für Schritt untersuchen werden.
    Einige Wissenschaftler (Jack Goody, Philippe Buc) haben die Wissenschaftsgemeinde vor dem inflationären Gebrauch des Konzepts „Ritual“ gewarnt, das nach und nach so allgemein wurde, dass es nicht mehr bedeutsam war. Trotzdem sind die Bestattungen mit diesem Konzept verbunden, nicht nur aufgrund der großen Bedeutung des Begriffs in der heutigen Wissenschaft – die der Sozialwissenschaften -, sondern auch aufgrund der mittelalterlichen Auffassung selbst, die auf sakrale Praktiken ausgerichtet war. So sind sie schon seit dem karolingischen Zeitalter ein religiöses Ritual. Die kirchliche Institution versuchte nämlich ab dem 8. Jahrhundert, profane Bestattungspraktiken zu christianisieren. Diese wurden als „abergläubisch“ disqualifiziert, da sie für manche zu stark an die römische Religion gebunden waren (wie das Mahl auf dem Grab). Wenn sie sich doch lange Zeit tolerant gezeigt hat und den Familien die Bestattung der Toten überließ, so verhärtete sich ihre Position im 13. Jahrhundert: Der Klerus wird von nun an ab der Stunde des Todes ein unverzichtbarer Mittler in jeder Totenfeier (Beichte, Kommunion sowie im Spätmittelalter in einigen sozialen Milieus auch die Letzte Ölung). Halten wir fest, dass wenn der Tod selbst für das Sakramentale wichtig ist (die letzte Kommunion als wesentliche Wegzehrung), so gehören die Begräbnisriten, die sich anschließen, im Gegensatz dazu zur Kategorie der Zeremoniellen. Hauptsächlich dazu gedacht, dass Gott dem Toten günstig wurde, waren sie durch bestimmte Gesten (Körperwaschung, Bestattung in einem Leichentuch, Absolution auf der Grabstätte), Worte (Gebete für die Verstorbenen, insbesondere die Psalmen der Buße) und rituelle Abfolgen (Totenwache, Prozession, Beisetzung, Mahl) gekennzeichnet. Ab dem 13. Jahrhundert kommt hier noch der in der Pfarrkirche in der liturgischen Feier immer häufiger zelebrierte Abschnitt, die Requiem-Messe, hinzu. Am Ende eines Jahres werden Gedenkfeiern abgehalten, die die Trauerzeit beschließen und somit symbolisch auf den langsamen Verwesungsprozess des Körpers verweisen, der vom fleischlichen Körper zum Skelett übergeht. Das Begräbnisritual kann so zu den berühmten Übergangsritualen gezählt werden, die von Van Gennep als dreiteilig definiert wurden: Die Stufe der durch den Tod und seine Ankündigung veranschaulichte Trennung; der Schwellenzustand bei der Totenwache, der Prozession und Totenmesse; die Wiederaufnahme in die Gemeinschaft, die durch das Mahl und das Andenken geprägt ist.
    Obwohl sie zunächst einmal ein christliches Ritual sind, wecken die Begräbnisse auch das Interesse der Sozialgeschichte: Jeder stirbt je nach Rang, Zugehörigkeit und Status (Colette Beaune). Die Adligen glänzen dadurch ein letztes Mal anhand distinktiver Zeichen und Codes auf der Erde: Einbalsamierung und Ausstellung der sterblichen Überreste, ein goldenes Sargtuch, ein Lichtermeer, die Anwesenheit weinender Menschen (jene Armen, die Mittelsmänner am Übergang zur Ewigkeit dargestellt haben, von denen die Anzahl auch auf die Wichtigkeit des Verstorbenen hinweist), ein leidenschaftliches Kapellspiel sowie Trauergürtel. Die Begräbnisse treffen sich hier mit der modernen und viel ausgedehnteren Bedeutung des Konzepts des Rituals: Eine öffentliche „Zeremonie“, die durch die Wiederholung von Gesten, Zeichen, ja sogar Worten gekennzeichnet ist, die der symbolischen Kommunikation der sozialen Akteure dienen, als Ausdruck ihrer Zugehörigkeit.
    Darüber hinaus benutzt die Geschichtsschreibung das Begräbniskonzept als Instrument zur Politikanalyse. Die Ausstellung von Machtinsignien (Baldachin, regalia, Effigie) lässt eine königliche oder fürstliche Majestät annehmen; auf dem Grab arrangierte Objekte (Säbel, Schild) und ausgestoßenen Rufen („Der König ist tot, lang lebe der König“) zeigen auch die Weitergabe der Macht. Dies steht im Gegensatz zu dem, was amerikanische Zeremonialisten behaupten, das Ritual sei bloß symbolisch und ihm wohne keine performative Macht inne. Jedoch muss man sich auch vor einer politischen Überinterpretierung in Acht nehmen, vor der auch Historiker und Anthropologen warnen. In Frankreich betrifft diese Debatte die Frage nach den „Zwei Körpern des Königs“, eines Konzepts von Ernst Kantorowicz, um die englische Krone anhand der Analyse des Begräbnisrituals zu evozieren und welches in seiner Nachfolge von Ralph Giesey auf Frankreich angewandt wurde. Der König habe somit zwei Körper, einen sterblichen Körper, der während der Zeremonie im Sarg liegt und einen politischen Körper, der ewig ist und durch die Effigie repräsentiert wird, einer Wachspuppe, die nach dem „Ebenbild“ des Verstorbenen gefertigt wurde (ab 1422). Die Rufe, die sich im Moment des Absenkens des Sargs erheben, erlauben den Wechsel dieses suprapersonellen Amtes von einem Herrscher zum anderen. Bis dahin verkörperte die Effigie einzig die Herrschaft, die den körperlichen Tod des Königs bis hin zu seiner Beisetzung überlebte.
    Verschiedene kritische Stimmen haben sich gegen diese Schlussfolgerung erhoben: Alain Boureau hat es sich zu Aufgabe gemacht, die Gefahren einer zeremonialistischen Geschichtsschreibung und ihrem unverhältnismäßigen Funktionalismus bei der Analyse des Rituals zu zeigen. Elisabeth Brown hat ebenfalls die Argumentationsschwächen Gieseys aufgezeigt. Kein einziger Theoretiker, noch nicht einmal ein Spezialist für königliche Begräbnisse wie Jean Du Tillet im 16. Jahrhundert, hat jemals die Effigie mit dem politischen und unsterblichen Körper des Königs verglichen. Sie dient vielmehr dazu, die Zuhörer zu bewegen, indem durch die plastische Darstellung das Andenken erleichtert. Außerdem steht sie für den Ruhm des Herrschers, wie die „Gisants“ (liegende Figuren auf dem Grab) in der königlichen Nekropole von Saint-Denis.
    Wie dem auch sei, so stellt doch die Abwesenheit des Königs bei der Beerdigung seines Vorgängers ein Problem dar. Diese kann der konjunkturbedingte Lage geschuldet oder mit politischen Zwängen verbunden sein. An dieser Stelle sollten auch noch anthropologischere Aspekte bedacht werden, nämlich die des schwierigen Umgangs mit dem toten Körper, dass aufgrund einer möglichen Beschmutzung, der König als eine sakrale Person, fernbleiben musste. Ab dem Ende des 14. Jahrhunderts konnte die Nähe zu einem Toten nicht mehr mit der Majestät und der königlichen Sakralität in Einklang gebracht werden. Aber die Frage bleibt offen, so wie auch die schwierige Interpretation der Rituale und ihrer vielschichtigen Sprache.


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  • Bibliographie

    Murielle GAUDE-FERRAGU, 20. September 2016
    Mort |

    Über den Gebrauch von Begräbnisritualen

    - ARIES Philippe, L’homme devant la mort, Paris, 1977.
    - BROWN Elisabeth, «Refreshment of the Dead: Post mortem Meals, Anne de Bretagne, Jean Lemaire de Belges, and the Influence of Antiquity on Royal Ceremonial», in Les funérailles à la Renaissance, Genève, 2002, p. 113-130.
    - BUC Philippe, Dangereux rituel. De l’histoire médiévale aux sciences sociales, Paris, 2003.
    - CHIFFOLEAU Jacques, La comptabilité de l’au-delà. Les hommes, la mort et la religion dans la région d’Avignon à la fin du Moyen Âge (vers 1320-vers 1480), Rome, 1980.
    - GIESEY Ralph, Le roi ne meurt jamais. Les obsèques royales dans la France de la Renaissance, Paris, 1987 (1960 Englisch für die Arbeit).
    - LAUWERS Michel, La mémoire des ancêtres. Le souci des morts. Morts, rites et société au Moyen Âge (Diocèse de Liège, XIe-XIIIe siècle), Paris, 1996.


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